Von Sabine Adelwarth

 

Dirlewang Jahrzehnte lang diente die grüne Wiese nördlich von Dirlewang als reine Futterquelle für die Kühe. Nun soll in naher Zukunft die grüne Fläche einem Neubaugebiet weichen und junge Familien ihren neuen Lebensmittelpunkt finden. Kaum vorstellbar, dass dort Mitte des 7. Jahrhunderts vermutlich eine größere Siedlung stand, was neueste Bodenbefunde bezeugen sollen. Bei den Erschließungsarbeiten zur neuen Straße kamen ungewöhnlich dunkle Verfärbungen des Oberbodens zum Vorschein. Die Grabungsfirma „Phoinix“ aus Pöcking am Starnberger See hat sich der Aufgabe angenommen und wurde von der Erschließungsfirma beauftragt. Bereits 1931 und zuletzt 1968 wurde unweit des neuen Baugebietes eine reichhaltige Geschichte der Alamannen an die Oberfläche getragen und macht Dirlewang in gewissem Maße einzigartig. Schon damals wurden dort alamannische Reihengräber entdeckt und zahlreiche Skelette geborgen.

Nun stießen die Archäologen auf eine Vielzahl markanter Stellen, nachdem die Bagger für die Erschließungsarbeiten den Oberboden abtrugen. Vorgeschichtliche Keramik, was ein Hinweis für eine Siedlung gewesen sein könnte, kamen ans Tageslicht. Archäologe Stefan Mühlemeier und Grabungsleiterin Andrea Happach sind seit einigen Tagen auf der großen Wiesenfläche mit ihrem Team gut beschäftigt. „Wir haben auf der gesamten Erschließungsstraße auffällige Befunde festgestellt“, erzählt Mühlemeier und hält dabei einen Teil eines Keramikgefäßes in den Händen. „Dies ist vermutlich ein Teilstück einer Urne und gehört zur späteren Bronzezeit.“ Brandbestattungen waren zu der Zeit (1300 – 800 v. Chr.) üblich. Aber nicht nur Keramikteile kamen an die Oberfläche, sondern auch Pfostenlöcher der Holzhäuser und Gruben, wo früher Steine erhitzt wurden, haben die Archäologen gefunden. „Eindeutige Siedlungsspuren“, ist sich Stefan Mühlemeier sicher.

Eine wahre Sensation sind dabei die beiden überraschend gefundenen Alamannengräber, die aber nicht dem damaligen Reihengräberfeld zuzuordnen sind. „Es gab eine kurze Zeit, wo die Menschen Hofgräber angelegt haben.“ Erst danach wurde auf Friedhöfen an Kirchen bestattet. Die beiden Skelette sind mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt an ihrem Hof beerdigt worden. Nach dem Fund der menschlichen Überreste wurde sofort ein Anthropologe hinzugezogen, der das Alter der beiden Leichen anhand der Merkmale wie Schädel und Zahnbefund schätzte. Dabei kam heraus, dass es sich um eine etwa 35- bis 40-jährige Frau und einen 40- bis 50-jährigen Mann handelt. Die Zähne seien bei beiden auffällig schlecht gewesen. „Starker Kariesbefall und die Frau hatte vorne bei den Schneidezähnen Abszesse gehabt. Dies könnte bei so starken Entzündungsprozessen durchaus auch die Todesfolge gewesen sein“, mutmaßt er.

Die beiden Skelette waren vollständig ausgestattet und wurden nicht beraubt, was früher keine Seltenheit war und oft nach Bestattungen passiert ist. „Gräber wurden nochmal geöffnet, um etwas Brauchbares zu suchen.“ Die Frau war mit allerhand Accessoires ausgestattet gewesen: eine Perlenkette aus Glas, auffällige Schuhschnallen, Messer mit Beckenschnalle sowie Ohrringe wurden gefunden. Der Mann war im Gegensatz dazu eher spärlich ausgestattet, nur ein Schwertgurt, allerdings ohne Schwert, war bei ihm begraben.

Dass sich dabei die Knochen nach dieser langen Zeit so gut erhalten, sei nicht weiter ungewöhnlich. Die Bodenbeschaffenheit und die Knochensubstanz zu Lebzeiten sind dabei wichtig.

Dass bei den einzelnen Bauplätzen, die allerdings noch nicht vergeben wurden, auch geschichtliche Funde zu erwarten sind, hält Stefan Mühlemeier für sehr wahrscheinlich. „Die jetzigen Funde auf der gesamten Erschließungsstraße wird auf jeden Fall Konsequenzen für die Parzellen haben“.

„Die Bauplätze sind noch nicht vergeben. Es gibt eine Interessenliste, aber es ist noch nichts verkauft“, sagt Bürgermeister Alois Mayer. Die Interessenten hätten außerdem erst für das Jahr 2022 mit einem Bau geplant. Ob und welche Auswirkungen die Funde auf die zukünftigen Bauherren haben wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden.

Noch etwa zwei bis drei Wochen werden die Archäologen beschäftigt sein, was dann passiert, muss abgewartet werden und wird vom Landesamt für Denkmalpflege entschieden. Die Funde werden von der Grabungsfirma nachbearbeitet und dann der Denkmalpflege übergeben. Ob die Dirlewanger die alamannischen Grabungen irgendwann im Heimatmuseum wiederfinden, kann momentan nur gehofft werden. Die Relikte und Gräber der 60er Jahre befinden sich derzeit in München und sollen aber, sofern die baulichen Vorgaben im Heimatmuseum erfüllt sind, irgendwann den Weg zurück nach Dirlewang finden. Der Heimatverein hofft, dass dies auch bei den jetzigen Funden möglich sein wird. „Wir werden alles dafür tun, die Bodenschätze von Dirlewang in der Gemeinde zu halten und irgendwann der Bevölkerung präsentieren zu können“, sagt Vorsitzender Josef Seeger vom Vorstandstrio.

 

Im Neubaugebiet im Norden von Dirlewang wurden die Alamannenfunde sichergestellt

Das Skelett eines Mannes aus der Alamannenzeit wurde gefunden. Auf dem Foto ist auch ein Grabungswerkzeug sichtbar.

Diese Perlenkette aus Glas war bei den weiblichen Überresten dabei.

Stefan Mühlemeier skizzierte detailgetreu den Skelettfund der Frau. Auffällig ist die farbige Darstellung der Perlenkette, Ohrringe, Schuhschnallen sowie Messer und Beckenschnalle.

In solchen Tüten werden kleine Befunde eingepackt, wie hier die Vorderseite der Schnalle vom Schwertgürtel, die beim Mann gefunden wurde.

Archäologe Stefan Mühlemeier und Grabungsleiterin Andrea Happach stehen in den beiden Alamannengräbern, die nicht tiefer als ein Meter unter der Erde ruhten, und nehmen noch Nachbearbeitung vor. Fotos: Sabine Adelwarth